Margaret Carroux

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Margaret Carroux geborene Bister, geboren am 31. Mai 1912 in Berlin, gestorben am 22. Juli 1991 in Frankfurt am Main [1], war eine Übersetzerin, die zahlreiche Bücher aus dem Englischen und Französischen ins Deutsche übertrug, teilweise unter den Pseudonymen Emmi Heimann und Martin Boor [2]. Ihre bekannteste Übersetzung ist die des Herrn der Ringe von J. R. R. Tolkien, die in drei Teilen 1969 und 1970 erschien. Daneben übersetzte Carroux unter anderem Werke von Edna O'Brien, Chaim Potok, Françoise Sagan und der Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer [3].

Margaret Bister kam als Tochter eines in Berlin geborenen Franzosen zur Welt.[4] Ihre Mutter entstammte einer Familie jüdischen Glaubens, war selber aber früh getauft worden. In ihrer Heimatstadt begann Margaret Bister ein Studium der Nationalökonomie und der neuen Sprachen (Englisch und Französisch), brach es jedoch 1936 ab. Danach arbeitete sie als kaufmännische Angestellte und Fremdsprachenkorrespondentin.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt sie Arbeit bei der Militärregierung des von Amerikanern besetzten Berlin. Mit einem amerikanischen Freund gründete sie schließlich eine deutsche Niederlassung des Artikeldienstes Overseas weekly. Die in New York ansässige Agentur schickte ihr Artikel, welche Frau Bister übersetzte und sie dann den deutschen Zeitungen anbot, da diese in der unmittelbaren Nachkriegszeit weitgehend ohne Auslandskorrespondenten arbeiten mussten.

1948 verließ sie Berlin und zog nach Frankfurt am Main, wo sie 1949 mit der Unterstützung von Freunden mit der INA -Internationale Nachrichtenagentur Bister & Co. ein deutsches Pendant der Overseas weekly gründete.[5] Nach ihrer Ehe mit einem Bauingenieur, aus der zwei Kinder hervorgingen, begann Margaret Carroux ihre Karriere als Übersetzerin für Sachbücher und Belletristik aus dem Englischen und Französischen. Für die Zeitschrift Der Übersetzer des Verbandes deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke e. V. schrieb Carroux von den frühen siebziger bis in die achtziger Jahre hinein Kommentare und Artikel.

Margaret Carroux' Kinder waren der als Bauingenieur tätige André Carroux und die Übersetzerin Yvonne Carroux (— ).[1] Margaret Carroux wurde nach ihrem Tod auf dem Frankfurter Friedhof Westhausen anonym beigesetzt.[6]

Der deutsche Schriftsteller Klaus Birkenhauer (1934–2001) hielt die Grabrede, in der er neben Margaret Carroux' damenhaftem Benehmen und ihrer Hilfsbereitschaft jüngeren Übersetzerkollegen gegenüber, auch die Qualität ihrer Übersetzungen hervorhob:

Sie belegte mit ihren Büchern immer wieder, wie häufig Autoren durch eine Übersetzung besser werden, als sie je zu schreiben vermochten. So hat sie Déon, Gordimer, Potock, Sagan, Tolkien - um viele andere zu verschweigen - in unsere Sprache herübergeholt.

—” Klaus Birkenhauer: Grabrede vom 1.8.1991 zum Tode der Übersetzerin Margaret Carroux, in: Der Übersetzer Nr. 3/4 (26. Jg.), März/April 1992, S. 1.

Carroux und Tolkien

Im September 1967 nahm Margaret Carroux anlässlich ihrer Übersetzung des Herrn der Ringe über den Verleger Rayner Unwin Kontakt zu Tolkien auf [7]. Sie schickte Tolkien ihren Entwurf einer Übersetzung seines Textes Leaf by Niggle zu und bat ihn, anhand dieser Arbeit ihre Fähigkeiten als Übersetzerin seiner Werke zu beurteilen. Außerdem fragte sie nach einem Treffen mit Tolkien. Aufgrund einer Erkrankung war Tolkien jedoch zunächst nicht in der Lage, sich mit den Gesuchen zu beschäftigen.

Als es Tolkien wieder etwas besser ging, vereinbarte man ein Treffen. Anfang Dezember sandte Carroux die ersten etwa einhundert Seiten ihrer Übertragung des Herrn der Ringe an Tolkien. Carroux besuchte Tolkien schließlich am 13. Dezember 1967 in Oxford. Die Reise wurde durch den Klett-Cotta Verlag, damals noch Ernst Klett Verlag, finanziert.

Die Begegnung verlief kühl. Sie war mit einem Koffer voll Bücher von Frankreich nach Oxford gereist, begeistert von seinem Werk und neugierig auf seine Person. Er empfing sie [...] in der Garage, die er zum Arbeitszimmer umgestaltet, aber nicht geheizt hatte, mundfaul, unwirsch und stark erkältet. Er bedauere, ihr nach der langen Reise nichts anbieten zu können, doch seine Frau sei krank. Im Mantel saß sie ihm eine Stunde lang gegenüber, dann packte sie ihre Bücher wieder ein und ging für den Rest des Nachmittags im alten Oxford spazieren.

—” Elsemarie Maletzke: Gegen die »Lektorateneinheitssoße«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 73 (13.9.77), S. 65.

Die überarbeitete „Carroux-Übersetzung“ von Der Herr der Ringe (2011).

Auf ihre Fragen zu verschiedenen Werken des Autors, die Margaret Carroux mitgebracht hatte, erhielt sie ebenso keine Antwort, wie auf die Frage, ob J. R. R. Tolkien ihre Übertragung zusagte. Er bemerkte nur, dass ihm die Lyrik „mißfalle“[8].

Nach ihrer Begegnung korrespondierten die beiden wegen Problemen, die Carroux mit der Übersetzung hatte, insbesondere mit den Gedichten. Carroux schickte ihm Entwürfe, Tolkien lobte und ermunterte sie: „Ich hätte mir sicher nicht so viel Mühe mit Ihren Entwürfen gemacht, wenn ich nicht gespürt hätte, dass Sie die nötige Sympathie und das erforderliche Verständnis haben, und nur ein bisschen Hilfe und etwas Ermutigung benötigen, um diese sehr schwierige Arbeit durchzuhalten.“ [9]

Im selben Brief äußerte Tolkien Bedenken, mit der Übertragung der Gedichte einen Lyriker zu beauftragen. Er sehe die Verse als wesentlichen Bestandteil der Geschichte und der Zeichnung der Figuren an, und sei skeptisch, ob ein zweiter Übersetzer für die Gedichte sich intensiv genug mit dem gesamten Text beschäftigen würde. Tolkien bot daher Carroux weitere Hilfe mit den Gedichten an. Man betraute dann aber doch die Dichterin Ebba-Margareta von Freymann mit der Übersetzung der Gedichte im Herrn der Ringe.

Für die Übersetzung des Herrn der Ringe standen Carroux außerdem die von Tolkien verfassten Anmerkungen zur Übertragung vieler der im Buch vorkommenden Namen zur Verfügung, die später unter dem Titel Nomenclature of The Lord of the Rings veröffentlicht wurden.

Mit dem damaligen Lektor des Ernst Klett Verlages, welcher auch für den Herrn der Ringe zuständig war, hatte sie einige Sträuße auszufechten, wie sich die Übersetzerin 1977 erinnerte. So habe dieser großen Wert auf wortwörtliche Übersetzungen gelegt und ihr so „nachträglich noch allerhand Mißverständnisse in die Druckfahnen (ge)zaubert[e]“[10].

Im Jahr 1969 erschien schließlich der erste Teil des Herrn der Ringe in der Übersetzung von Margaret Carroux und Ebba-Margareta von Freymann, unter dem Titel Die Gefährten [11]. Im Jahr darauf folgten der zweite und der dritte Teil, Die zwei Türme und Die Rückkehr des Königs. In den nächsten Jahren erschienen verschiedene Ausgaben dieser Übertragung. 1991 veröffentlichte Klett-Cotta eine von Roswith Krege-Mayer überarbeitete Fassung. Im Jahr 2000 erschien dann eine von Wolfgang Krege besorgte neue Übersetzung des Herrn der Ringe. Gleichwohl blieb die Übertragung von Carroux weiter im Programm des Verlags. 2008 veröffentlichte dieser eine überarbeitete Fassung von Carroux’ Übersetzung, in dem unter anderem einige Eigennamen neu übertragen wurden, basierend auf einem korrigierten englischen Text von 2004 [12].

Die von Carroux angefertigte Übersetzung von Leaf by Niggle veröffentlichte Klett-Cotta 1975 unter dem Titel Blatt von Tüftler zusammen mit zwei weiteren Texten Tolkiens im Band Fabelhafte Geschichten. 1982 erschien Blatt von Tüftler erneut, diesmal zusammen mit Tolkiens Aufsatz Über Märchen, in Baum und Blatt.

Margaret Carroux übersetzte außerdem eine Parodie auf den Herrn der Ringe, die unter dem Titel Der Herr der Augenringe 1983 veröffentlicht wurde.

Werke (Auswahl)

Margaret Carroux hat unter anderem die folgenden Werke übersetzt oder mitübersetzt [3]:

  • André Kostolany: Das ist die Börse: Bekenntnisse eines Spekulanten (1961)
  • G. M. Gilbert: Nürnberger Tagebuch (1962)
  • Betty Friedan: Der Weiblichkeitswahn oder Die Mystifizierung der Frau (1966)
  • Robert Poulet: Wider die Jugend (1967)
  • Edna O'Brien: Mädchen im Eheglück (1969)
  • Pauline Réage: Rückkehr nach Roissy (1969)
  • J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe: Die Gefährten (1969)
  • J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe: Die zwei Türme (1970)
  • J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs (1970)
  • Edward de Bono: Laterales Denken: Ein Kursus zur Erschliessung Ihrer Kreativitätsreserven (1971)
  • Nikita Chruschtschow: Chruschtschow erinnert sich (1971)
  • Alfred Grosser: Deutschlandbilanz: Geschichte Deutschlands seit 1945 (1971)
  • Arthur Janov: Der Urschrei: ein neuer Weg der Psychotherapie (1973)
  • Chaim Potok: Mein Name ist Ascher Lev (1973)
  • J. R. R. Tolkien: Blatt von Tüftler (in: Fabelhafte Geschichten; 1975)
  • Françoise Sagan: Augen wie Seide: Erzählungen (1977)
  • David Attenborough: Das Leben auf unserer Erde: vom Einzeller zum Menschen (1979)
  • Robert S. Elegant: Die Dynastie: ein Handelshaus in Hongkong (1979)
  • Joan Wyatt: Die Zauberwelt von Mittelerde: visionäre Bilder zu J. R. R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ (1980)
  • Michel Déon: Irisches Intermezzo (1981)
  • Nadine Gordimer: July's Leute (1982)
  • H. N. Beard, D. C. Kenney: Dschey Ar Tollkühn: Der Herr der Augenringe (1983)
  • Pauline Gedge: Pharao (1985)
  • Fredrick Hyde-Chambers "Im Jahr des Roten Drachen" (1986)
  • Dorothy Dunnett: Die Farben des Reichtums: der Aufstieg des Hauses Niccolo (1989)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Frankfurter Rundschau vom 1. August 1991.
  2. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 1988.
  3. 3,0 3,1 Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.
  4. Die biographischen Informationen des folgenden Abschnitts sind Elsemarie Maletzkes Artikel Gegen die »Lektorateneinheitssoße«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 73 (13.9.77), S. 65ff. entnommen.
  5. Institut f. Publizistik der Freien Universität Berlin (Hrsg.): Die Deutsche Presse 1955 - Zeitungen und Zeitschriften, Berlin 1955, S. 155.
  6. Information aus einer privaten E-Mail der Frankfurter Friedhofsverwaltung (16.07.2008).
  7. Quelle für die Informationen über die Zusammenarbeit von Carroux und Tolkien in diesem und den folgenden Abschnitten ist Hammond, Scull: The J. R. R. Tolkien Companion & Guide.
  8. Elsemarie Maletzke: Gegen die »Lektorateneinheitssoße«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 73 (13.9.77), S. 65.
  9. “I should certainly not have taken the trouble that I took with your speci­mens, if I had not felt that you had the sympathy and understanding required, and only needed a little help and some encouragement to per­severe in what is a very difficult task.— Tolkien an Carroux, 29. September 1968. Zitiert nach: Hammond, Scull: The J. R. R. Tolkien Companion & Guide, S. 733. Übersetzung: Ardapedia.
  10. Elsemarie Maletzke: Gegen die »Lektorateneinheitssoße«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 73 (13.9.77), S. 67.
  11. Quelle für die Informationen über die veröffentlichten Werke und Ausgaben in diesem und den folgenden Abschnitten ist der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.
  12. Servos: Interview.

Links

Quellen

  • Wayne G. Hammond, Christina Scull: The J. R. R. Tolkien Companion and Guide. Vol. I: Chronology. London: HarperCollins, 2006. [Einträge für] „18. September 1967“, „21. September 1967“, „25. September 1967“, „26. September 1967“, „29. September 1967“, „23. November 1967“, „27. November 1967“, „6. December 1967“, „13. December 1967“, „11. September 1968“, „29. September 1968“.
  • Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 1988. Berlin: Walter de Gruyter.
  • Elsemarie Maletzke: Gegen die »Lektorateneinheitssoße«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 73 (13.9.77), S. 65ff.
  • Institut f. Publizistik der Freien Universität Berlin (Hrsg.): Die Deutsche Presse 1955 - Zeitungen und Zeitschriften, Berlin 1955, S. 155.
  • Klaus Birkenhauer: Grabrede vom 1.8.1991 zum Tode der Übersetzerin Margaret Carroux, in: Der Übersetzer Nr. 3/4 (26.Jg.), März/April 1992, S. 1.
  • Traueranzeige in der Frankfurter Rundschau vom 1. August 1991, S. 27.